Schi

Kemacher, 2.480 mtr

Die “Axamer Fraktion”,  eine wunderbare Ergänzung zu uns “60er-Gang-Mannen”, rückte mit uns aus. Nicht umsonst werden sie von Freunden oft liebevoll “Fanaten” genannt. Da kann man stolz drauf sein, auch dieselbe Gesinnung zu besitzen. Ein echter Fanat muss nämlich schon ein wenig verrückt sein, um nicht zu sagen, besessen. Besessen ist meiner Meinung nach das richtige Wort, um zu erklären, warum man so eine Schitour überhaupt macht.

Dass es überhaupt geht, hörte ich erstmals vor einigen Jahren vom Junior einer bekannten Höttinger Fliesenlegerzunft. Die Information schien zu der Zeit aber (noch) nicht wichtig, wurde aber trotzdem im Schläfenlappen, indem ja neben dem Gedächtnis passenderweise auch Emotionen gespeichert werden, abgelegt.

So kam es, dass wir am Samstag, 2.3. ausrückten: Stephan, Thomas, Willi, Steve, Ander und ich. Sechs motivierte Abenteurer (Fotograf Thomas, daher hier nur 5 Abenteurer sichtbar Smiley )

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Die Tourenplanung hörte sich anfangs vielleicht nicht schlimm an: Auffahrt mit der Seegrubenbahn, Aufstieg zum Frau Hitt Warte Lift und Querung bis unterhalb der Einstiegsrinne. Dann vielleicht 650 hm Aufstieg zum Gipfel. Und Abfahrt. So der Plan. Aber Gipfel wie der Kemacher mögen es gar nicht, wenn man sie unterschätzt. Dazu dann später…..

Während dem Queren – weit oberhalb der Höttinger Alm – hatte ich ein sehr gutes Gefühl. Hart gefrorener, griffiger Firn. Supertragfähig und – solange die Sonne noch nicht zu stark arbeitet, bombenlawinensicher.

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Den Auffellpunkt wählten wir etwas außerhalb der Auslaufzone des schräg oberhalb liegenden – offenen – Schneemauls, die ja bekanntlich jederzeit abgehen können.

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Während Thom und ich schon abmarschbereit waren und – ich muss gestehen, ich war auch schon höchst aufgeregt – kamen die Anderen tröpfchenweise daher und machten sich ebenfalls aufstiegsfein. Unsere Ungeduld ließ es nicht zu, dass wir auf Karawane machten und wir genossen die ersten Meter, noch auf pipifeinem Harsch, Richtung zur Engstelle.

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Dort empfingen uns Lawinenknollen, allesamt gefroren und mit den Schiern weder im Aufstieg noch in der Abfahrt kaum zähmbar. Vielleicht so wie eine Hyäne. Aus der Hand frisst sie Dir NIE!!  Die Latten kamen daher an den Rucksack. Später hörte ich Ander noch rufen: “lassma die Schi stehen….?” – was ich nicht für gut hielt, weil ja ohne Schi keine Schiabfahrt möglich gewesen wäre. Ergänzungen Fuzzi: War auch gut so, die Brettln nicht abzulegen. Es sollte sich wirklich noch rentieren heute Vormittag.

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Da war aber auch der Ausgang der Tour noch nicht ganz klar. Thom voraus und ich wie ein Dackel hinterher in seinen gut gesetzten Stapfen. Man muss bedenken, dass der “Erststapfer” meist nicht nur einmal, sondern oft zwei und dreimal die Spitze des Schischuhs in den Harsch rammen muss, um einen brauchbaren Tritt für die Folgemannschaft zu erzeugen. Trotz der Mehrarbeit ist Thomas bald auf und davon. Dafür schließt  langsam Stephan auf. Zusammen meistern wir die steilste Stelle der Tour, einen  schaurigen “Schnapper”, der keinen normalen Menschen auf die Idee bringen würde, ihn unter Absturzgefahr hoch zu krabbeln, um dann unter selbiger wieder abzufahren.

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Das Finale war ein 20 Meter Kamin, der direkt auf dem Kemacher-Grat endete. Würzige 50° Steilheit, in der oberen Hälfte kaum Schibreit. Ich zog mich hinauf und atmete schwer. Stephan hinterher, Thom zog ihn am “Schlawittchen” auf den Grat.

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Abklatsch! Es folgt eine 4-5 Meter hohe Felsstufe, die wir trotz teils verschneiten Stahlseils, gut meistern.

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Und dann stehen wir am Grat, vielleicht 50 Meter vor dem Gipfel und beschlossen, es gut sein zu lassen. Einerseits die vereiste, extrem steile Gipfelflanke, die uns erschaudern ließ beim Gedanken an einen Sturz während der Abfahrt, andererseits die Gefahr, beim queren abzurutschen oder samt der Wechte ins Tal zu reiten.

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Es blieb uns aber auch so noch genug Spannung. Vorher machten wir unseren Tourenpartnern jedoch noch klar, dass ein Aufstieg hierher sinnlos ist und sie besser gleich unten bleiben sollten. Die nahmen dankbar an und machten das, für was man Schi normal nicht nach oben trägt. Sie trugen sie wieder runter. Nachvollziehbar, wer kann sich auch in 45-50° Gelände, wo du so schon kaum stehen kannst, die Brettln anziehen. Steve, Willi & ich stehen ein paar Meter unterhalb des kleinen Kamines und warten. Signale von Oben – Abbruch! Also Retourgang rein und ein Stück bis zu einem sicheren Standplatz unterhalb eines Felskopfes absteigen. Ein idealer Platz zum Skier anlegen und mental auf die Abfahrt vorbereiten.

Für uns begann jedoch nun ein anderer nervenaufreibender Teil. Niemand wollte so recht die Rinne in der Abfahrt entjungfern und wie auch genau? Ich nahm das Zepter in die Hand und kralte die ersten 10 Meter hinab zu dem kleinen Standplatz, so groß wie ein aufgeklappter Laptop.

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Dort gelang es mir überraschend einfach die Schi anzuziehen (ich ließ es natürlich so aussehen, als ob das alles geplant war). Was dann folgte, jagte mir einen echten Adrenalinschauer ins Gemüt. Vielleicht 1-2 Meter tastete ich mich hinaus aus der Rinne, dann ließ ich es laufen, nach rechts und gleich folgte ein Linksschwung.

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Furchtbares Gerattere unter meinen Füssen ob der eisig gefrorenen, unebenen Naturpiste. Und bitte Bindung, bleib zu und jetzt nur nicht verkanten. Alles hielt. Ich schlenzte nach links hinaus und versuchte auf die anderen Beiden zu warten. Die kamen aber nicht. Es war eine große Angst vorhanden, dass plötzlich einer der zwei aus dem Kamin stürzen könnte und an mir vorbeifliegt. Aber solche Gedanken muss man blitzartig ausblenden und ich kurvte ein paar Schwünge, immer noch extrem holprig, nach unten, ohne zu beachten, dass der ganze Gruschel, den ich lostrat durch meine Ratter-Knatter-Abfahrt, die unterhalb befindlichen Ander, Steve und Willi mit einem Hagelschlag an kleinen Eisbrocken eindeckte. Sogleich stoppte ich und meine Falllinie suchte ich neben den Kollegen. Es ging halbwegs fahrbar, vor Allem aber zügig (im Gegensatz zu den Absteigern) hinab, mit Schiern.

Aber nur bis unten, wo der Flaschenhals sich mit den Lawinenknollen füllte. Schi aus. 50 Meter abtragen. Schi an. Ein Steilabschwung, den die Sonne schon sehr aufgeweicht hatte folgt und eine Querung über die großen Eisknollen. Dann endlich kam der ersehnte Butterfirn. Ich sackte in den Schnee, vollkommen erschöpft. Und genau diesen Teil wollte ich mir nicht nochmals antun. Nach einigen Knollen durchsetzten Höhenmetern ohne Fun, ziehe ich nach Links auf eine Flanke. Die ersten Schwünge werden sehr vorsichtig gesetzt. Paaaasst. Die Meute folgt nach.

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Hinter mir Thom und Stephan. Steve, Ander und Willi gaben sich zur Feier des Tages eine Extremflanke oberhalb des Schneemauls, die Ihresgleichen sucht. Auch hier galt: Non-Sturz-Zone.

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Ich ziehe nochmals über einen Rücken nach links bis zu einer stark abfallenenden Flanke. Das Gelände löst sich jetzt ideal auf und es läßt sich alles perfekt fahren. Ein leichter Firnfilm trägt zum Grinsen und Wohlfühlen bei. Alle zusammen genossen wir die schönen Hänge zur Höttinger Alm im feinsten Frühjahrs-Firn und steuerten diese an, um gemeinsam auszudampfen und unser Abenteuer langsam zu verdauen. Von dort folgten wir dem Sommerweg (aber der ist im Winter auch etwas Besonderes)

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und beim Abzweig “3er” –“Bodensteiner” zogen die einen zur Arzler Alm und Ander erbarmte sich meiner und brachte mich nach Hause. Dort begann sich die Grippe, die sich bereits am Morgen ankündigte, um mich zu kümmern. Höhepunkt waren 39,5 ° gestern Abend. Aber, nicht gekniffen und deshalb eine Abenteuer Tour vor den Toren Innsbrucks bestanden und wieder viel gelernt. Und über die Bergkameradschaft geht gar nix! Danke an Alle!!!! Und für denjenigen, der jetzt nicht genau weiß, wo wir waren, hat Mr. P. eine Hilfe aufgenommen:

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Giggi, 4.3.2013

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